Europäische Zentralbank
Umnutzung des ehemaligen Großmarktareals
Projektbeschreibung
Planungsanlass
Mit der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), ihren Sitz auf das Areal des Großmarktes zu verlegen, wurde ein weiterer Impuls für die städtebauliche Entwicklung des Frankfurter Ostens ausgelöst.
Planungsgebiet
Das ehemalige Großmarktareal befindet sich im Ostend, südlich der Sonnemannstraße. Es erstreckt sich bis zum Mainufer, grenzt im Westen an das Sanierungsgebiet Ostend und im Osten an den Bahndamm in Verlängerung der Deutschherrnbrücke.
Planungsziel
Die denkmalgeschützte Großmarkthalle, eines der Wahrzeichen des "Neuen Frankfurt“, erhält eine neue Funktion und Nutzung. Die Europäische Zentralbank wird auf dem ehemaligen Großmarktareal angesiedelt. Mit der Erweiterung des Mainuferparks bis zur Deutschherrnbrücke (Ruhrorter Werft) und dem Ausbau des GrünGürtels zwischen Sonnemannstraße und Mainufer entstehen wichtige Grün- und Erholungsräume für die Bewohner des Ostends und der gesamten Stadt.
Projektfortschritt
Die Stadtverordnetenversammlung hat am 04.10.2007 den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 830 "Südlich Sonnemannstraße - Europäische Zentralbank" gefasst.
Die Europäische Zentralbank hat am 08.02.2008 die erste Teilgenehmigung für vorbereitende Maßnahmen - insbesondere den Aushub und die Sicherung der Baugrube - und am 06.05.2008 die vollständige Baugenehmigung für den Neubau erhalten. Mit den Hauptbauarbeiten ist im Frühjahr 2010 begonnen worden. Fertigstellung und Umzug der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Ende 2014 erfolgt.
Mehr Informationen
Internationaler Wettbewerb
Im Jahr 2002 erwarb die Europäische Zentralbank das Areal der Großmarkthalle, um darauf unter Einbeziehung der Großmarkthalle einen Neubau als ihren Sitz zu errichten. Um eine optimale Lösung für ihr neues Domizil zu finden, lobte die EZB Ende 2002 einen internationalen Städtebau- und Architekturwettbewerb aus. Das Wettbewerbsverfahren wurde in enger Kooperation mit der Stadt durchgeführt.
Aus einem Bewerberkreis von über 300 Architekturbüros wurden 80 Teilnehmer für die erste Wettbewerbsphase eingeladen. Das Preisgericht empfahl 12 Entwürfe zur Weiterbearbeitung in der zweiten Wettbewerbsphase. Im Februar 2004 hat die internationale Jury des Wettbewerbs die ersten drei Preise an folgende Teilnehmer vergeben:
- Preis: Coop Himmelb(l)au (Wien) mit dem Entwurf zweier miteinander verbundener, in sich verdrehter Türme über einem südlich der Großmarkthalle liegenden Flachbau
- Preis: ASP Schweger Assoziierte (Berlin) mit dem Entwurf eines Hochhaustores aus Gebäudescheiben über einem Sockelbauwerk mit vorgelagertem Wasserbassin
- Preis: 54f Architekten + Ingenieure mit T.R. Hamzah & Yeang (Darmstadt und Malaysia) mit dem Entwurf eines Hochhauspulks aus maximal 4 Scheiben mit „hängenden Gärten“ über einem Sockelbauwerk.
Planungsphasen Neubauvorhaben
Die drei prämierten Entwürfe des internationalen Wettbewerbes wurden 2004 in einer Revisionsphase überarbeitet und mit der Stadt abgesprochen. Am 13.01.2005 sind die Beratungen im EZB-Rat über die Wahl des Entwurfs für ihre neue Zentrale zu dem Ergebnis gekommen, mit dem Büro Coop Himmelb(l)au aus Wien weiterzuplanen.
Danach schloss sich eine intensive Optimierungsphase an. Diese wurde am 15.12.2005 mit der Zustimmung des EZB-Rates zu den Ergebnissen der Optimierungsphase abgeschlossen. Die Optimierungsphase wurde eingeführt, um den Preisträgern die Gelegenheit zu geben, ihren Entwurf auf der Grundlage überarbeiteter funktionaler, räumlicher und technischer Anforderungen und einer Budgetvorgabe zu optimieren.
Der optimierte Entwurf der Architekten Coop Himmelb(l)au besteht aus 3 Elementen: der Großmarkthalle, dem Doppelturm und einem verbindenden Querriegel.
Der ursprünglich geplante, sogenannte „Groundscaper“, ein Flachbau südlich der Großmarkthalle, ist entfallen. Damit konnte der Wunsch der Stadt nach einer freien Sichtbarkeit der Großmarkhalle vom Mainufer erfüllt werden.
Der Querriegel durchdringt die Großmarkthalle und ist dabei gleichzeitig Eingang, „Fenster zur Stadt“ und Verbindungsbau zum Doppelturm.
Der mit einem Atrium verbundene Doppelturm hat sich in seiner Gestalt gegenüber dem Wettbewerb kaum verändert. Besonders hervorzuheben ist der überarbeitete Freiflächenplan, der auch die Sicherheitsanforderungen der EZB über landschaftsplanerische Elemente löst. Im Nordosten wird die GrünGürtelverbindung, die künftig einen Teil der vorhandenen Lücke zwischen der Grundstücksgrenze der EZB und dem Bahndamm von der Sonnemannstraße bis zum Mainufer schließen wird, auf dem Grundstück der EZB optisch erweitert.
Von März 2006 bis zum Einreichen des Bauantrags Ende Oktober 2007 fand die Planungsphase statt. Im Frühjahr 2008 wurde mit vorbereitenden Maßnahmen, insbesondere dem Aushub und der Sicherung der Baugrube, begonnen. Aufgrund des positiven Ergebnisses eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens für Bauarbeiten im Jahr 2009 hat der EZB-Rat am 17.12.2009 beschlossen, dass die Hauptbauarbeiten für den Neubau der Europäischen Zentralbank im Frühjahr 2010 aufgenommen werden sollen. Fertigstellung und Umzug der 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Ende 2014 erfolgt.
Weitere Informationen zum Neubauvorhaben der EZB sind auf der Internetseite der EZB zu finden (deutsch, englisch).
Bebauungsplanverfahren
Der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan
Nr. 830 „Südlich Sonnemannstraße - Europäische Zentralbank - wurde am 08.11.2001 gefasst.
Die Konzeption der städtebaulichen Rahmenbedingungen erfolgte im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsverfahren der EZB zur Neubebauung des Großmarktareals als Sitz der Europäischen Zentralbank.
Die wichtigsten Planungsziele sind:
- Erhalt der denkmalgeschützten Großmarkthalle und wichtiger Sichtbeziehungen,
- Einhaltung einer maximalen Gebäudehöhe von 200 m und einer maximalen Bruttogeschossfläche von ca. 200.000 qm für die Neubaumaßnahme einschließlich Erweiterungen,
- Entlastung der Hanauer Landstraße durch Erschließung des Grundstücks nicht nur über die Sonnemannstraße, sondern auch über die Eyssenstraße - die Lösung der Stadt geht dabei vom Neubau einer Mainbrücke in Verlängerung der Honsellbrücke aus, die über die Anbindung der EZB hinaus insgesamt eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Erschließungssystems gewährleistet,
- Berücksichtigung der GrünGürtelverbindung zwischen Sonnemannstraße und Ruhrorter Werft parallel zur Deutschherrnbrücke als breiter öffentlicher Grünstreifen mit Fuß- und Radweg,
- Fortsetzung des öffentlichen Mainuferparks auf dem Hochkai der Ruhrorter Werft unter Einbeziehung der denkmalgeschützten Kräne und eines Cafés auf der Bastion,
- Herstellung von visuellen und gestalterischen Bezügen zwischen öffentlichen und privaten Freiräumen.
Parallel zur Optimierungsphase der EZB wurden im Herbst 2005 die frühe Ämter- und Behördenbeteiligung sowie am 30.05.2006 die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung zum Bebauungsplanverfahren durchgeführt. Auf Grundlage der nach der Optimierungsphase vorliegenden Planung wurde nun der Entwurf des Bebauungsplans erstellt. Nachdem die Stadtverordnetenversammlung am 01.02.2007 die Offenlage beschlossen hatte, wurde der Entwurf zum Bebauungsplan vom 21. Februar bis zum 21. März im Technischen Rathaus nach § 3 (2) Baugesetzbuch öffentlich ausgelegt. Während der Auslegungsfrist konnten Stellungnahmen vorgebracht werden. Parallel zur Öffentlichkeitsbeteiligung fand die Ämter- und Behördenbeteiligung statt. Über die Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen und Anregungen hat die Stadtverordnetenversammlung in öffentlicher Sitzung am 04.10.2007 entschieden und den Satzungsbeschluss gefasst. Der rechtsverbindliche Bebauungsplan (Projekt B830) kann über das Auskunftssystem planAS eingesehen werden.
Koordinierungsstelle Europäische Zentralbank
Da im Zusammenhang mit der Neuansiedlung der EZB auf dem Gelände des ehemaligen Großmarktes auch im Umfeld des Standortes umfangreiche Maßnahmen durchzuführen sind, wurde im Hinblick auf die Komplexität dieser Maßnahmen, die große Zahl an Beteiligten und die engen Zeitvorgaben bis zum geplanten Einzug der EZB die „Koordinierungsstelle ECB“ im Dezernat Planen und Bauen eingerichtet.
Der Kickoff-Termin für die Arbeit der Koordinierungsstelle fand im Juli 2005 statt. Im Zusammenhang mit der Koordinierungsstelle haben neben der bereits bestehenden Projektgruppe Stadtplanung außerdem die Projektgruppen Grün, Straßenbau und Erschließung sowie Gedenk- und Informationsstätte ihre Arbeit aufgenommen. Unter Beteiligung der betroffenen Ämter der Stadt sind die vom jeweils für die Ausführung zuständigen Amt geleiteten Projektgruppen bis zum Einzug der EZB für eine Reihe von Maßnahmen eigenständig verantwortlich.
Insbesondere
- die Projektgruppe Grün für die Herstellung der GrünGürtelverbindung zwischen Sonnemannstraße und Mainufer und des Hafenparks sowie die Mainufergestaltung an der Ruhrorter Werft,
- die Projektgruppe Straßenbau und Erschließung für die Herstellung der äußeren Erschließung, die mit einer Verbesserung der Verkehrssituation für das gesamte südliche Ostend verbunden sein wird und eine neue Mainbrücke vorsieht,
- die Projektgruppe Erinnerungsstätte für den Bau einer Erinnerungsstätte zum Gedenken an die Deportationen jüdischer Bürger von der Großmarkthalle während der Zeit des Nationalsozialismus, für die in den Jahren 2009 - 2011 ein internationaler Wettbewerb durchgeführt wurde,
- die Projektgruppe Öffentlichkeitsarbeit für die proaktive Kommunikation der oben angeführten großen Projekte im Zusammenhang mit der dynamischen städtebauliche Entwicklung des südlichen Ostends durch eine umfassende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Geschichte der Großmarkthalle
Die Großmarkthalle wurde unter Oberbürgermeister Ludwig Landmann und Stadtbaurat Ernst May zwischen 1926 und 1928 nach einem Entwurf von Martin Elsässer (1884-1957) erbaut.
Nach mehr als 75 Jahren wurde im Sommer 2004 in der am 25. Oktober 1928 in Betrieb genommenen Halle zum letzten Mal mit Obst und Gemüse gehandelt.
Das moderne Bauwerk gehörte zum stadtplanerischen Gesamtkonzept des „Neuen Frankfurt“ und ist ein wertvolles Beispiel für die Architektur der expressiven Moderne. Während die Frankfurter Bürger sich nur allmählich mit ihrer monumentalen „Gemieskerch“ anfreundeten, bestaunten Auswärtige die Halle aufgrund ihrer Funktionalität und modernen Bauweise und errichteten sogar Markthallen nach Frankfurter Vorbild.
Die heute unter Denkmalschutz stehende Halle ist 220 m lang und wird durch 2 Kopfbauten eingefasst, so dass das Gebäude insgesamt eine Länge 250 m aufweißt. Im westlichen Kopfbau befanden sich die Büros der Marktverwaltung, der Kopfbau im Osten wurde als Kühlhaus mit eigener Eisfabrik gebaut.
Neben der eigentlichen Halle mit dem Bürohaus und dem Kühlhaus gehörten auch 2 Annexbauten mit Wohnungen für Betriebsangehörige, die Importhalle mit den Räumen der Städtischen Schulkinderspeisung, eine Sortierhalle, Gleisanlagen und kleinere Nebengebäude, wie Wiegehäuschen und Stellwerk zu der Baumaßnahme Großmarkthalle. Die Baukosten hatten über 15 Millionen Reichsmark betragen.
Das Besondere am Bau der Großmarkthalle sind die 15 Tonnenschalen von nur 7,5 cm Stärke, die die 50 m breite Halle pfeilerlos überspannen.
Das nach der herstellenden Firma Zeiss-Dywidag benannte Verfahren dieser dünnen Eisenbetonkonstruktion wurde hier erstmals angewendet und ist heute einer der Gründe für den Denkmalschutz der Halle.
Zwischen 1941 und 1945 wurde ein Teil des Kellers der Großmarkthalle von den NS-Behörden als Sammelstelle für Menschen jüdischer Herkunft genutzt, die von hier aus deportiert wurden. An dieses dunkle Kapitel soll künftig eine Gedenk- und Informationsstätte erinnern.
Die Großmarkthalle wurde bei mehreren Luftangriffen zwischen 1943 und 1944 vor allem im westlichen Hallendrittel schwer beschädigt.
Trotz dieser schweren Zerstörung und der Nutzung großer Teile der Großmarkthalle durch die Amerikaner wurde der Markbetrieb direkt nach Kriegsende provisorisch wieder aufgenommen. Zwischen 1947 und 1953 erfolgte der schrittweise Wiederaufbau.
Insbesondere in den 1950er und 1960er Jahren erlebte der Marktbetrieb in der Großmarkthalle einen Boom. In der Folge ging der Umschlag von Obst und Gemüse aber zurück.
Heute weist die denkmalgeschützte Großmarkthalle einen erheblichen Sanierungsbedarf auf. Funktionsmängel, inadäquate Erschließung und strukturelle Veränderungen führten bereits in den 1980er Jahren zu Überlegungen, den Großmarkt zu verlagern. Mit einem Grundstück im Bereich der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme „Am Martinszehnten“ konnte ein passender neuer Standort gefunden werden. Der Umzug der Händler wurde mit der Eröffnung des neuen Frischezentrums in Kalbach im Juni 2004 abgeschlossen.
Das Grundstück der Großmarkthalle wurde am 01.01.2005 an die EZB übergeben.
Erinnerungsstätte an der Frankfurter Großmarkthalle
- Zweiphasiger Realisierungswettbewerb -
Anlass und Ziel des Wettbewerbs
Die Stadt Frankfurt am Main beabsichtigt, eng abgestimmt mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, in direkter Nachbarschaft zur ehemaligen Großmarkthalle eine Stätte der Erinnerung an die Deportation von mehr als 10.000 jüdischen Bürgern Frankfurts zu schaffen, die an diesem Ort versammelt und in die Konzentrationslager abtransportiert wurden.
Die Erinnerungsstätte soll an die historischen Vorgänge erinnern, über sie informieren und so das Gedächtnis an die organisierte Ermordung der Juden durch die nationalsozialistische Vernichtungspolitik wach halten.
Eine Aufarbeitung der Geschichte der Deportationen im Einzelnen wird im Jüdischen Museum der Stadt Frankfurt am Main stattfinden und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Wettbewerbsverfahren
Der Wettbewerb wurde als „Offener Wettbewerb“ in zwei Phasen durchgeführt. Der Zulassungsbereich für Teilnehmer war weltweit offen. Teilnehmen konnten Architekten, Landschaftsarchitekten, Stadtplaner, Stadtbauarchitekten, Künstler und Studierende dieser Fachrichtungen. Für die zweite Wettbewerbsphase war für Preise und Anerkennungen ein Betrag von insgesamt 100.000 € ausgesetzt.
Wettbewerbsgebiet
Das Wettbewerbsgebiet ist Teil des GrünGürtels und des Mainuferparks. Es erstreckt sich über einen in Nord-Süd-Richtung verlaufenden 450 m breiten Grünstreifen zwischen Hanauer Landstraße und Main, der im Süden auf eine Länge von ca. 150 m in den Mainuferbereich einschwenkt.
Einbezogen in den Wettbewerb, wenn auch außerhalb des ausgewiesenen Wettbewerbsgebiets und nicht ohne weiteres zugänglich, befinden sich auf dem Gelände der Europäischen Zentralbank (EZB) der Sammelraum der Deportierten im Untergeschoss der ehemaligen Großmarkthalle und eine Rampe, die zu diesem Keller führt.
Etwas weiter südlich liegen Eisenbahngleise der Ladehallen, die in einer Gleisharfe zusammengeführt werden. Hier wurden – aus dem kleinen Stellwerk gegenüber – die Weichen in die Vernichtung gestellt.
An der Erinnerungsstätte sollen Informationen über das Geschehen an diesem Ort aufklären. Darüber hinaus werden die Deportationen im Jüdischen Museum wissenschaftlich aufgearbeitet und dort in einer Dauerausstellung öffentlich gemacht.
Wettbewerbsergebnis und weiteres Vorgehen
Wettbewerbsergebnis
In ihrer Entscheidung über die Beiträge zur ersten Wettbewerbsphase hatte die Jury am 21. Juli 2009 aus 139 Einsendungen 20 Arbeiten zur weiteren Bearbeitung in der zweiten Wettbewerbsphase ausgewählt. Zugleich waren diesen Wettbewerbsteilnehmern einige allgemeingültige Empfehlungen für die Vertiefung ihrer Arbeiten an die Hand gegeben worden. Diese Überarbeitungsergebnisse der zweiten Wettbewerbsphase lagen der Jury am 28. Mai 2010 zur Beurteilung vor. Im Ergebnis beschloss die Jury, eine Gruppe von drei gleichrangigen Arbeiten auf dem zweiten Platz zu prämieren. Zusätzlich wurden zwei Anerkennungen ausgesprochen.
Die drei zweiten Preise wurden folgenden Beiträgen zuerkannt:
- Arbeit 019 bbzl, böhm benfer zahiri landschaften städtebau, Berlin
- Arbeit 070 KATZKAISER GbR, Köln
- Arbeit 128 LOOC/M Architekten GbR, Frankfurt am Main
Anerkennungen erhielten
- Arbeit 048 OP Architecture, Niels Petersen, Copenhagen, Denmark
- Arbeit 059 Martin Ott, Matthias Marbes, Weimar
Weiteres Vorgehen
Das Preisgericht hat dem Auslober empfohlen, die Verfasser der drei je mit einem zweiten Preis ausgezeichneten Arbeiten zur Überarbeitung aufzufordern. Dabei sind die in den Beurteilungen durch das Preisgericht kritisierten Punkte zu beachten. Auf die Notwendigkeit einer engen gegenseitigen Abstimmung zwischen EZB und Auslober im Interesse eines realisierbaren Projektes wird ausdrücklich hingewiesen. Spätestens zur Eröffnung des EZB-Neubaus 2014 soll auch die Erinnerungsstätte hergestellt sein. Die Entscheidung der Jury für drei gleichrangige Preisträger an Stelle eines einzigen Siegerentwurfs begründete der Preisgerichtsvorsitzende, Prof. Hirsch, damit, dass jeder dieser drei Entwürfe „kleinere Kritikpunkte“ aufzuweisen hatte. Aus Sicht des Preisgerichts sei nun eine öffentliche Debatte über die künftige Gestalt der Erinnerungsstätte zu führen. Diese Debatte könne bereits Teil der Erinnerungsstätte sein.
- Eine umfassende Beteiligungs- und Informationsmöglichkeit eröffnete die Ausstellung aller Wettbewerbsarbeiten. Diese Ausstellung fand vom 03.09.2010 bis zum 28.09.2010 im Atrium des Planungsdezernates und im benachbarten Museum Judengasse am Börneplatz statt. Bereits im Rahmen der Ausstellungsvernissage am 03.09.2010 bestand Gelegenheit zur öffentlichen Diskussion. Nach Vorstellung der Entwürfe durch die drei zweitplatzierten Büros hatte die Öffentlichkeit Gelegenheit, Fragen zu stellen und Anregungen vorzubringen.
- Zusammen mit der Ausstellung wurde eine Online-Umfrage eingerichtet. Zudem konnten die Ausstellungsbesucher von den in den Ausstellungsräumen ausliegenden Umfragebogen Gebrauch machen. Die Ergebnisse wurden von dem Ausstellungspersonal direkt vor Ort in den Computer eingespeist. Die Beteiligung von insgesamt gut 300 Personen zeugt von einer gelungenen medialen Öffentlichkeitsarbeit. Zudem schafft die hohe Onlinebeteiligung von über 60 Prozent ein hohes Maß an Repräsentativität. Ein wesentliches Ergebnis ist, dass die Teilnehmer an der Befragung von der Erinnerungsstätte vor allem erwarten, auf eine sachliche und selbstverständliche Weise informiert zu werden. Wichtig ist auch, die damalige Situation durch Nachbildung oder Bewahrung historischer Elemente nachempfinden zu können.
- Darüber hinaus erfolgten zwei Führungen mit Frankfurter Schulen, für die Herr Jürgen Steinmetz gewonnen werden konnte, der in der Vergangenheit bereits eng mit dem jüdischen Museum zusammengearbeitet und mehrere Führungen durchgeführt hat. Die Führungen durch die Ausstellung stießen bei den Schülern der Europäischen Schule und der Bettinaschule auf reges Interesse. Die Präferenzen des jungen Publikums weichen nur unwesentlich vom Gesamtergebnis der Umfrage ab.
- Bei der Ausstellungsfinissage am 28.09.2010 wurden die Beteiligungsergebnisse öffentlich vorgestellt. Eine Diskussion der Ergebnisse und das Einbringen weiterer Meinungen war ausdrücklich erwünscht.
- Die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses wurden aufbereitet und in geeigneter Weise in das Pflichtenheft für die Überarbeitungsphase einbezogen. Die Abgabe der überarbeiteten Siegerentwürfe erfolgte am 14. Januar 2011. Am 11. März 2011 schloss sich das Entscheidergremium unter dem gemeinsamen Vorsitz von Frau Oberbürgermeisterin Dr. h.c. Petra Roth und dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank Dr. Jean-Claude Trichet der Empfehlung des Beratergremiums an, den Entwurf von KatzKaiser, Köln, auszuführen.
- Die Planungs- und Baurbeiten zur Realisierung des prämierten Entwurfs wurden mit der feierlichen Eröffnung Erinnerungsstätte am 22.11.2015 abgeschlossen.
Siegerentwürfe
Ein zweiter Preis (Arbeit 019)
Verfasser: bbzl, böhm benfer zahiri landschaften städtebau, Berlin
Entwurfsidee der Verfasser
„Die Gedenkstätte Großmarkthalle zeigt, dass die praktische Umsetzung von Verfolgung und Deportation während der NS-Zeit an vielen Stellen in den Alltag eingebunden war. Räumlich soll sie sich dazu auf die authentischen Orte der Deportation beschränken. Dazu gehören das Kopfgebäude der Großmarkthalle, die Zugangsrampe, die Gleisharfe und die Eisenbahnbrücke.“
Beurteilung des Preisgerichts (Auszug)
„Das Leitthema der Arbeit ist die Alltäglichkeit des Ortes, an dem die Deportationen stattfanden. Folgerichtig betont der Entwurf fast ausschließlich die authentischen Orte. Ohne große symbolische Aufladung oder Gesten erzeugt die abgegrenzte Figur der Gleisharfe im Gleisraum als Relikt des Vorgefallenen Befremden und Aufmerksamkeit. (…) Ebenso als angemessen gewürdigt wird die Einfachheit der eingesetzten Mittel. (…) Die Arbeit ist ganzheitlich nachvollziehbar und realisierbar. Insgesamt ist der Beitrag fast spröde in seiner Selbstverständlichkeit - was jedoch hinsichtlich des Leitthemas eine folgerichtige und überzeugende Konsequenz darstellt.“
Ein zweiter Preis (Arbeit 070)
Verfasser: KATZKAISER GbR, Köln
Entwurfsidee der Verfasser
„Das Gedenken an die Deportierten von 1941 bis 1945 soll auf mehreren Ebenen sichtbar gemacht werden. Spuren sollen gesichert, Wege und Bezüge markiert und der Ort mit Erinnerungen überlagert werden.“
Beurteilung des Preisgerichts (Auszug)
„Die authentischen Orte der Deportationen im Bereich der Großmarkthalle werden in ganz einfacher Form sichtbar gemacht - die Gleisharfe mit dem Stellwerk und die Rampe zum Sammelkeller unter dem Kopfbau der Großmarkthalle (…). Die Verfasser machen diesen nicht sichtbaren Ort für alle Passanten des GrünGürtels mit einer direkten, den Betrachter in ihren Bann ziehenden Rampe sichtbar. Der Zugang wird durch die hohen Seitenwände zu einem langen Schlund gefasst, der schon an dem öffentlichen Parkweg beginnt, so dass er frei einsehbar ist. Vorher wird die Zugänglichkeit aus Sicherheitsgründen durch eine Glaswand abgeteilt, auf der die Erinnerung eines Deportierten aufgedruckt ist, wie auch andere Sätze, die in die Wege eingraviert sind und die Unsäglichkeiten der Verschleppung erzählen. (…) die Einfachheit der eindeutig formulierten Rampensituation, das unaufdringliche Vorhandensein der Gleisanlagen und das (…) Stellwerk, welches die Züge in den Tod passieren mussten, vermeiden jede Schaustellerei und bringen die banalen Vorgänge des Schreckens ins Bewusstsein.“
Ein zweiter Preis (Arbeit 128)
Verfasser: LOOC/M Architekten GbR, Frankfurt am Main
Entwurfsidee der Verfasser
„Zwischen 1941 und 1945 wurden über 10.000 Frankfurter Juden von Deutschen zur Großmarkthalle verschleppt und von dort auf Zügen in den fast sicheren Tod geschickt. (…) Ziel dieser Arbeit ist es daher, die Erinnerung an jedes einzelne Opfer wach zu halten, ihm eine Stimme und ein Gesicht zu geben.“
Beurteilung des Preisgerichts (Auszug)
„Die Jury erkennt die tragende Idee dieses Entwurfs an. Die Gestaltungsidee resultiert aus der Absicht, die öffentlich zugänglichen, authentischen Relikte mit den nicht öffentlichen zu verweben. Dies gelingt über eine in die Gleisharfe gestanzte kubische Großform - die Raumskulptur -, die den Dimensionen des Kellerraumes unter der Großmarkthalle entspricht und die sich dem Spaziergänger in den Weg stellt. Der Kubus wird aus ca. 10.000 Stahlplatten gebildet, in die die Namen der Deportierten eingeritzt sind. Diese Namensnennung wird von der Jury als eine unangemessene Doppelung zur Gedenkstätte am Börneplatz gesehen und müsste vermieden werden. Überhaupt scheint der Jury eine allzu umfangreiche Verdichtung durch eine Vielzahl von einzelnen Ideen und Gestaltungselementen vorzuliegen. (…) Die Jury lobt insbesondere den vorgeschlagenen temporär möglichen Zugang zum Kubus über das umgewandelte Stellwerk.“
Anerkennungen
Eine Anerkennung (Arbeit 048)
Verfasser: OP Architecture, Niels Petersen, Copenhagen, Denmark
Entwurfsidee der Verfasser
„’Absent Monument’ - Das abwesende Denkmal ist eine Interpretation der Deportation. Allein durch das Wegnehmen eines Teiles des Flusses wird die gleichförmige Bewegung des Wassers an genau dieser Stelle zu Fall gebracht. Der Besucher erlebt die Leere und begreift in sehr bildlicher Art und Weise den Ausschluss und die Vertreibung der Juden aus der Frankfurter Gemeinschaft.“
Beurteilung des Preisgerichts (Auszug)
„Die Arbeit besticht durch ihren Vorschlag, in Form eines ‚Absent Monument’ eine Leerstelle im Raum zu schaffen. (…) Dadurch entsteht eine sehr kraftvolle und bildhafte Installation, die in ihrer Eigenart einzigartig ist. So faszinierend dieser Ansatz auf den ersten Blick erscheint, so zeigen sich in der tiefgehenden Diskussion die Schwächen des Konzeptes. Ein Raum für Stille und Nachdenken soll implantiert werden - dagegen steht die sichere Annahme, dass die vorgeschlagene Inszenierung schnell als Spektakel wahr- und angenommen wird. Die große Geste, die sich ausgesprochen poetisch und künstlerisch präsentiert, ist zu umfassend interpretierbar, um den besonderen Geschehnissen, die erinnert werden sollen, gerecht werden zu können. Zudem wird die Entfernung zum authentischen Ort als weiteres Defizit begriffen, auch wenn diese Distanz durch die Installation eines Hotspots am Main - der Information zur Geschichte des Ortes und der Frankfurter Juden sendet - aufgehoben werden soll. Die Einbeziehung von Großmarkthalle und Bahnanlagen wird vermisst und negativ beurteilt. (…) Alles in allem ein mutiger und einprägsamer Vorschlag, der allerdings an vielen Orten und zu vielen Themen passend wäre und in sich ein Paradoxon darstellt - die vorgeschlagene Leere wird sich zwangsweise zu einem unangemessenen Anziehungspunkt für Schaulustige entwickeln.“
Eine Anerkennung (Arbeit 059)
Verfasser: Martin Ott, Matthias Marbes, Weimar
Entwurfsidee der Verfasser
„Blick in die Erinnerung - Die Himmelsrichtungen der Konzentrations- und Vernichtungslager, in die die Verfolgten von Frankfurt aus deportiert wurden, bilden die Grundlage des Entwurfes. Die Umsetzung dieses Konzeptes erfolgt durch einen Turm, dessen neun Öffnungen in Richtung jener Lager weisen.“
Beurteilung des Preisgerichts (Auszug)
„’Der Blick in die Erinnerung’ soll bei diesem Entwurf der Leitgedanke sein, der zu einem eindrucksvollen Ensemble mit beachtlichen städtebaulichen Qualitäten führt und die wichtigsten Stationen der Deportation deutlich macht: Gleisharfe, Turm, Rampe und begehbarer Keller in der Großmarkthalle. (…) Allerdings fragt sich die Jury, ob der ‚Aufstieg’ im Turm, nach Entfernungen vom Ort der Deportation geordnet, wohl auch angenommen wird, ja, ob er erforderlich ist und ob der Turm überhaupt eines Inhaltes bedarf, zumal die geographische als symbolischer Ausblick gedachte Fensteranordnung ohne Information kaum nachvollzogen werden kann. Hier hat sich der Verfasser fast zu sehr an seine Grundidee geklammert.“